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Die Pioniere der Globalisierung und der Völkerverständigung

Sophie Rémeur (31.03.2005)

Bei Völkerverständigung denkt mancheiner vielleicht zuerst an Staatsmänner wie Adenauer und de Gaulle. Und auch die Globalisierung ist für viele ein Prozess, der erst durch die Gnade von Politikern entstanden ist. Andere wiederum sind zwar für Völkerverständigung auf politischer Ebene, doch auf wirtschaftlicher Ebene lehnen sie eine weltweite Zusammenarbeit ab, da sie an einen grundsätzlichen Interessengegensatz zwischen Unternehmern und Angestellten glauben, der dazu führe, dass Unternehmer sich auf der weiten Welt stets die billigsten Arbeitskräfte zum Ausbeuten aussuchten.

Doch sind es auch nicht die Unternehmer, welche die wesentliche Globalisierungs- und Verständigungsarbeit leisten. Es sind vielmehr jene Mittler zwischen den Sprachen und Kulturen, die dafür sorgen, dass die weltweite Arbeitsteilung funktioniert, die sicherstellen, dass ein koreanisches Handy in Deutschland ebenso gut bedient werden kann wie in Usbekistan oder dass ein finnischer Tango-Lehrer sich mit seinem Geschäftspartner aus Argentinien versteht. Es geht um Übersetzer, Dolmetscher und Sprachlehrer.

Kein Wunder, dass niemand von der Globalisierung mehr profitiert als die Personen und Unternehmen, die mit Sprachen zu tun haben. Doch dieser Boom ist gar nicht so augenfällig, denn es gibt für ihn kaum hervorstechende Symbole, etwa in Form von Großkonzernen, die zum Highflyer an der Börse wurden. Der Markt für Sprachdienstleistungen ist deshalb so zersplittert, weil es fast kein Einstiegskapital erfordert, um darin aktiv zu sein. Das wichtigste Kapital, das die Sprachunternehmer mitbringen, haben sie im Kopf: Sie beherrschen ihre Muttersprache und mindestens eine Fremdsprache. Auf diesem Milliardenmarkt tummeln sich also Heerscharen von basiskapitalistischen Einzelkämpfern. Wie kaum ein anderer Kleinunternehmer hat der Übersetzer den Vorteil, dass er sein Produkt heutzutage in rein digitaler Form liefern kann. Er braucht neben seinem Knowhow nur einen PC und eine Mail-Möglichkeit. Mittlerweile wird seine Arbeit auch durch zahlreiche Software-Unternehmen wie Trados oder Passolo enorm erleichtert.

Natürlich sind Übersetzungsdienstleister, die als Ein-Mann-Unternehmen fungieren und sich meistens nur auf eine oder zwei Fremdsprachen spezialisiert haben, für größere Kunden nicht ganz praktisch. Erstens ist es schwer für sie, aus den Millionen von Anbietern zuverlässige Geschäftspartner herauszufinden, und zweitens wollen sie ein Dokument meistens in mehr als nur eine Sprache übersetzen. Hier kommen Übersetzungsfirmen ins Spiel, die mit fest angestellten oder Freiberuflern zusammenarbeiten und die auch Arbeiten wie DTP, Konvertierung, Lektorat oder Website-Testing sowie das gesamte Projektmanagement übernehmen. Ein Kunde will beispielsweise seine Online-Dokumentation in zehn Sprachen übersetzen. Statt zehn Einzelübersetzer einzusetzen, vergibt er den Auftrag an eine Übersetzungsfirma, die dem Kunden die gesamte Arbeit abnimmt. Entsprechend ist der Wortpreis bei Übersetzungsfirmen zwei bis drei mal so hoch wie bei einem Einzelübersetzer, dafür gewinnt der Kunde aber an Sicherheit und Zuverlässigkeit und vor allem spart er jede Menge Zeit. Gerade bei exotischen Sprachen ist es zudem für den Markterfolg eines Produkts entscheidend, dass nicht nur eine 1-zu-1-Übersetzung angefertigt wird, sondern dass auch die kulturellen Besonderheiten des Ziellandes berücksichtigt werden, damit das betreffende Produkt des Unternehmens auch akzeptiert wird. Eine solche sprachlich-kulturelle Übersetzungsleistung nennt sich „Lokalisierung“. Viele Unternehmen mussten bereits schmerzhaft erfahren, was eine mangelhafte Lokalisierung bedeutet. So musste Mitsubishi die Marke Pajero in Spanien zurückziehen, da man nicht bedacht hatte, dass Pajero im heutigen Spanischen nicht nur wie im Wörterbuch nachgeschlagen „Hirte“, sondern auch so viel wie „Wichser“ bedeutet.

Sprachenstadt Bonn

In Deutschland hat sich vor allem die Region um Bonn als Hochburg von professionellen Übersetzungsunternehmen herauskristallisiert. Viele sprechen schon von der „Sprachenstadt Bonn“, und das liegt weniger daran, dass auch die Deutsche Welle hier ihren Sitz hat, sondern vielmehr an den Dutzenden von mittelständischen Übersetzungsfirmen und Sprachschulen in der Rheinmetropole, die aufgrund ihres milden Klimas manchmal auch scherzhaft die „nördlichste Stadt Italiens“ genannt wird. Fragt man Branchen-Insider nach dem Grund dafür, dass Bonn zur Sprachenstadt avanciert ist, fällt immer wieder der Name Gerhard Wagenpfeil. Der Mann gilt als Pionier der Software-Lokalisierung und beschäftigte in den neunziger Jahren über hundert Mitabeiter in seiner Firma „Translingua“. Nach der Übernahme der Firma durch den mittlerweile bankrotten belgischen Spracherkennungssoftware-Hersteller Lernout & Hauspie verließen zahlreiche fähige Mitarbeiter die Firma und gründeten eigene Unternehmen, darunter auch Wagenpfeil selbst mit der Firma Delta. Andere Spin-Offs wie Tracom, TopsNet, Transdoku, Docconsult und Locasoft agieren ebenfalls erfolgreich am Markt. Und mittlerweile zieht Bonn auch weitere Übersetzungsdienstleister aus aller Welt an, so auch die vor allem auf Webseiten spezialisierte US-Firma „Global Translations“.

Daneben ist Bonn aufgrund seines mediterranen Charmes und seines für Deutschland die Ausnahme bleibenden wirtschaftlichen Booms auch bei ausländischen Sprachschülern sehr beliebt. An Sprachschulen wie dem Steinke-Institut können Schüler aus aller Welt einen Ferienkurs belegen oder sich gezielt auf die Uni-Zulassungsprüfung in Deutsch vorbereiten. Bonn trägt also sehr stark zu dem (noch) guten Image Deutschlands in der Welt bei, was im Hinblick auf Standortvorteile von großer Bedeutung ist. Denn auf der anderen Seite spricht es sich auch immer mehr in Russland, China oder Indien herum, dass Deutschland das Land mit dem geringsten Wachstum und mit der größten Arbeitslosenquote aller alten EU-Länder ist. Es sind die Dienstleister der Sprache, die wohl entscheidend dazu beitragen, dass dieses Land die Zeit der Stagnation und des Reformstaus zu überbrücken vermag.


 



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Herausgeber:
Libertäres Institut Bonn

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