15.000
Mitglieder hat ATTAC mittlerweile hierzulande, 30.000 sind
es gar in deren Ursprungsland Frankreich. Anders als das Schmuddelkind
NPD, die Globalisierungsgegner von rechts und damit das Spiegelbild
von ATTAC, haben sie es dabei geschafft, sich als die Gralshüter
des Guten und Edlen zu inszenieren. Dieser Beitrag soll zeigen,
dass dieser pseudomoralische Glanz durch nichts gerechtfertig
ist.
Es
soll hier nicht darum gehen, eine ganz und gar nicht homogene
Bewegung aus Bequemlichkeit auf einige leicht zu widerlegende
Forderungen zu reduzieren. Noch weniger soll es darum gehen,
jeden möglichen Kritikansatz von Links in Bausch und
Bogen abzulehnen. Im Gegenteil: Dass Linke zu Themen wie soziale
Mindeststandards, Kapitalverkehrskontrollen, Rolle von internationalen
Institutionen, Entwicklungshilfe und vielem mehr andere Antworten
geben als die traditionell staatsskeptischen Liberalen sollte
niemanden verwundern – und niemanden stören. Konkurrenz
belebt das Geschäft, und einige kritische Fragen von
Links schaden uns ganz und gar nicht.
Die
gegenwärtige Anti-Globalisierungsbewegung um ATTAC aber
trägt lediglich zur Verwirrung eines ohnehin nebelumwobenen
Begriffs bei und liefert einfache Scheinantworten. Sie stellen
nicht die richtigen Fragen und geben schon gar keine richtigen
Antworten. Die ganze Fragestellung, der ganze Argumentationsansatz
basiert auf Irrglaube, Wunschdenken, Lug und Trug. Je eher
diese Bewegung im Rückblick als peinliche Verwirrung
aus der Frühphase der Globalisierung gewertet wird, desto
besser.
Wer
wen?
Die
Anti-Globalisierungsfront profitiert von einer widersprüchlichen
Bewertung des Phänomens der Integration der Volkswirtschaften.
Da heißt es auf der einen Seite, Globalisierung sei
die Ausbeutung des armen Südens durch den reichen Norden.
Wir lassen es uns gut gehen, während wir unsere Drecksarbeit
in Sweatshops der dritten Welt erledigen lassen, Pfenniglöhne
zahlen und ganz nebenbei auch noch die dortige Kultur plattwalzen.
Daneben gibt es noch ein ganz anderes, nicht minder beliebtes
Bild: Qualifizierte Facharbeiter bei uns werden nach Hause
geschickt, weil ein paar Gauner aus Übersee ihre Löhne
aus reiner Bösartigkeit gnadenlos unterbieten. Wir geraten
in eine Abwärtsspirale („race to the bottom“),
bei der die westliche Welt nur verlieren kann. Beide Zerrbilder
sind, obwohl sie einander offensichtlich widersprechen, gleichzeitig
beliebt. Das nützt den Antiglobalisierern, die es scheinbar
gleichzeitig allen recht machen können.
Mit
Bauernverbänden und Gewerkschaften für gerechten
Welthandel?
Dabei
käme eine ernstzunehmende Bewegung für ein gerechteres
Welthandelssystem, gleich welcher politischen Richtung, gar
nicht umhin, sich mit einigen Interessengruppen im eigenen
Land anzulegen. Sie müsste beispielsweise der natürliche
Feind von Bauernverbänden sein, da diese die perverse
Milliardensubventions- und Abschottungspolitik von Europa
und Nordamerika, die der dritten Welt mehr schadet als irgend
etwas sonst, am verbissensten verteidigen. Doch von wegen!
In Frankreich, dem Mutterland der Globalisierungsfeinde, ist
mit José Bové ein Funktionär des größten
Bauernverbandes zum Held der Bewegung avanciert. Bové:
„Jedes Land muss seine eigene Landwirtschaft entwickeln,
damit es nicht von einem anderen Land abhängig wird und
somit seine Freiheit verliert.“[1]
Ein Grundrecht auf „Ernährungssouveränität“
soll nach seiner Auffassung in der UN-Charta festgeschrieben
werden. Da weiß er sich einig mit Christiana Schuler
vom attac-Agrarnetz, die auf der „Grünen Woche“
in Berlin verkündete: „Gemeinsam mit Bewegungen
in Nord und Süd treten ATTAC und FIAN für das Konzept
der Ernährungssouveränität ein.“[2]
Auch die Gewerkschaften müssten, würde man es ernst
meinen, ihr Fett wegbekommen, stehen doch diese maßgeblich
hinter dem Protektionismus der OECD-Arbeitsmärkte. Schon
wieder Fehlanzeige: Überall sind Antiglobalisierer und
Gewerkschaftler ein Herz und eine Seele, die auch gerne mal
gemeinsame Aufrufe veröffentlichen. Da stört es
dann auch nicht mehr, wenn Gewerkschaften, wie im Beispiel
der USA, in merkantilistischer Manier Exportsubventionen fordern.
ATTAC Deutschland lobt den DGB sogar ausdrücklich für
seinen Arbeitsmarktprotektionismus, der die deutsche Sozialstaatsfestung
vor Osteuropa schließen soll: „In Europa kämpfen
die Gewerkschaften gegen die Bolkestein-Richtlinie zur Liberalisierung
der Dienstleistungen“, heißt es in einem Werbeschreiben
an den DGB unter dem Motto „Handel global – Menschen
egal“. Daran läßt sich offenbar anknüpfen:
„Wir bitten die deutschen Gewerkschaften, sich verstärkt
mit der Handelsthematik zu beschäftigen.“[3]
Es zeigt sich: Für ATTAC ist diffus-moralinsaurer Antikapitalismus
wichtig, Kohärenz ihrer Ideen ist es nicht. Wer nur irgendwie
auf den Kapitalismus eindrischt, und das tun Bauernverbände
und Gewerkschaften ganz bestimmt, der darf mitmachen.
Bekämpft
den Turbokapitalismus! Nur: Wo ist er?
In
den Schriften der Antiglobalisierer wird gerne der Eindruck
erweckt, Globalisierung und weltweite Liberalisierung nach
Innen und Außen seien bereits abgeschlossene oder zumindest
extrem weit vorangeschrittene Prozesse.
Insbesondere den Entwicklungsländern sei ein ganz besonders
fieser Raubtierkapitalismus aufgezwungen worden. Die Rankingliste
„Economic Freedom
of the World“ des Fraser-Institutes spricht eine
andere Sprache. Hier nehmen die entwickelten Länder fast
lückenlos die vorderen Plätze ein. Deutschland kommt
auf Platz 22 von 123, was nichts anderes heißt, als
dass die Dosenpfand- und Windradrepublik im weltweiten Vergleich
noch als ein kapitalistischer Tiger erscheint. Das sollte
einen Eindruck davon vermitteln, wie schwach die ökonomische
Freizügigkeit auf der Welt tatsächlich in Wahrheit
noch dasteht. Länder wie Russland und Brasilien, gerne
als Opfer ihres „ultraliberalen“ Systems bezeichnet,
rangieren in Wahrheit ganz weit unten.
Abschottung
ist Selbstbestimmung
Moderatere
Attac-Mitglieder betonen gerne, man verstehe sich nicht als
Gegner, sondern als Kritiker der Globalisierung. Einige behaupten
das mit vollem Recht von sich. Im programmatischen Teil der
ATTAC-Homepage aber weht ein ganz anderer Wind. Schon im Gründungsdokument
stand etwa zu lesen: „Globalisierung verschärft
die wirtschaftliche Unsicherheit und die sozialen Ungleichheiten.[…]
Die meisten Verkettungen dieser ungleichen Maschinerie zwischen
Nord und Süd sowie innerhalb der entwickelten Länder
selbst können noch rückgängig gemacht werden.“[4]
In ihrer Einladung zum „Europäischen Aktionstag“
liest man, ATTAC sei gegen Freihandel, „…weil
dadurch die Ausbeutung der Menschen in den Länder des
Südens festgeschrieben und die Zerstörung der Umwelt
weiter voran getrieben, Nahrungsmittelsicherheit und der Aufbau
einer eigenständigen Versorgung in diesen Ländern
verhindert werden.“[5]
Schließlich wird in der offiziellen Stellungnahme zu
einem Handelserleichterungsabkommen zwischen der EU und den
AKP (Afrika-Karibik-Pazifik)-Ländern noch nebenbei erklärt,
wie die ganze miese Globalisierungskiste eigentlich funktioniert:
„Senken die AKP-Staaten nach den Vorgaben der EU ihre
Zölle für solche Produkte, die auch die eigene Industrie
herstellt, werden die EU-Konzerne die Gewinner sein und die
schwache eigene Industrie an die Wand drücken. Das Land
wird mit billigen Importen überschwemmt und die eigenen
Fabriken müssen geschlossen werden. Die AKP-Länder
werden keine Möglichkeiten haben, eigene leistungsfähige
Industrien vor der EU-Marktöffnung zu entwickeln, und
bleiben damit ein von den großen Industrienationen abhängiger
Rohstofflieferant.“[6]
Auch die Kollegen von ATTAC Östereich wissen: „Freihandel
führt nicht zu breitem Wohlstand auf allen Seiten, sondern
gefährdet weltweit die Mehrheit der ArbeitnehmerInnen,
HandwerkerInnen, HändlerInnen, BäuerInnen, FischerInnen
und indigene Bevölkerungen. Gewinner sind die Konzerne.“[7]
Zum Glück naht schon Abhilfe: „Attac fordert: Kein
EU-AKP-Freihandelsabkommen: Freihandelsabkommen dienen nicht
der Bekämpfung von Armut.[…] AKP-Staaten müssen
ihre lokalen und regionalen Märkte schützen können.”[6]
Das sind ganz klare Plädoyers für Abschottung. In
geschlossenen Grenzen, geschlossenen Gesellschaften und Selbstversorgertum
soll das Heil der Menschheit liegen. Sicher, man findet bei
ATTAC auch seriösere Globalisierungs“kritiker“,
die internationalen Handel nicht ablehnen, sondern ihn „nur“
in ein straffes Korsett durch vor allem supranationale, aber
auch durch nationale und regionale Regulierungseinrichtungen
eingebettet und auf Sozial-, Umwelt- und Kulturverträglichkeit
abgeklopft sehen möchten. Die Mehrheit von ATTAC jedoch,
wie die Unterstützer der oben genannten Textstellen,
will zurück in die Welt der Totalabschottung (pardon:
„Selbstbestimmung“). Für die Erstgenannten
ist eine politisch korrekte Variante von Preußen das
Modell für die Welt, für die Letzteren aber ein
gemäßigtes Nordkorea.
Kritik von Links könnte eine Bereicherung sein, aber
die gegenwärtige Antiglobalisierungsbewegung ist wenig
mehr als ein moderner Ablasshandel. Wer mitmacht, der darf
sich mächtig aufgeklärt, weitsichtig, avantgardistisch
und vor allem rundherum sozial fühlen. Eine Portion moralisches
Wohlfühlen zum Billigtarif, wer will noch mal, wer hat
noch nicht. Argumente spielen eine untergeordnete Rolle, wichtiger
ist, welcher Beteiligte wie viele Che Guevara T-Shirts besitzt
und wie laut er „neoliberal“ und „multinationale
Konzerne“ schreien kann. Können wir als Liberale
diesem albernen Zirkus nichts Besseres entgegensetzen? Wir
können. Wir sollten!
Kristian
Niemietz ist Mitglied der Libertären
Plattform der FDP
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