Viele
Hilfsorganisation sind in erster Linie ein Instrument
zur Selbstbereicherung, vor allem jene, bei denen Spender
und eigentliche Zahler keine Kontrolle über die Ausgaben
haben. Das gilt auch für die so genannten NGOs (Non-Governmental
Organizations), die sich zum größten Teil von
anonymen und unfreiwillig erbrachten Steuergeldern speisen
und von daher gar nicht so „non-governmental“
sind. Nach vorsichtigen Schätzungen gehen mindestens
zwei Drittel aller Zuwendungen an staatliche und halbstaatliche
Hilfsorganisationen für Bürokratie, üppige
Mitarbeitergehälter und Werbung drauf. Wer einen
Job bei einem der großen Helfervereine ergattert
hat, dürfte mit Tagessätzen von bis zu 1000
Dollar so ziemlich ausgesorgt haben.
In
einem Bericht des Spiegels
(Nr. 13/05) über das Treiben der NGOs in Afghanistan
wird deutlich, dass auch der Rest der Gelder, der in welcher
Form auch immer bei der vorgegebenen Zielgruppe ankommt,
nicht wirklich gut angelegt ist und sogar eher eine kontraproduktive
Wirkung entfaltet. Die Arbeit der NGOs, für die Afghanistan
eine wahre Goldmine sei, „fördert Schlamperei
und Korruption“, so das Fazit von Susanne Koelbl vom
SPIEGEL.
Vier
Milliarden Dollar sind bislang von den Geberländern
nach Afghanistan geflossen. Das entspräche bei ca.
20 Millionen Afghanen einem ganzen Jahresgehalt für
jeden Afghanen, nämlich rund 200 Dollar. Nicht auszudenken,
was eine Verdoppelung des Einkommens für eine wirtschaftliche
Dynamik entfesselt hätte. Bei den Afghanen ist jedoch,
wie nicht anders zu erwarten war, nicht viel vom Geldsegen
angekommen. So verfügt lediglich das Kabuler Stadtviertel,
in dem sich die Helfer einquartiert haben, über fließendes
Wasser und Strom. Der afghanische Planungsminister Baschardost
(frz. Schreibweise: Bachardoust), so der SPIEGEL,
bat die sage und schreibe 2355 NGOs in Afghanistan um eine
Kostenaufstellung, um zu erfahren, wieviel Prozent des Umsatzes
tatsächlich für Hilfe aufgewendet wird. 80% der
NGOs verweigerten die Auskunft. Baschardosts bittere Bilanz:
"Es ist ein korruptes System, das den Reichen zugute
kommt."
Dieses
System lässt sich mit einem Strukturvertrieb vergleichen.
Die mächtigen NGOs vergeben Aufträge an kleinere
NGOs, diese wiederum machen die Arbeit auch nicht selbst,
sondern reichen die Jobs, etwa den Bau von Schulen, Krankenhäusern
oder Studentinnenheimen, an noch kleinere NGOs weiter. Am
Ende steht eine auch als NGO getarnte afghanische Baufirma,
die sehr oft nur Bauruinen hinterlässt. Der Etat derjenigen,
die also wirklich etwas „aufbauen“, ist durch
die Krötenwanderung durch die NGO-Hierarchie derart
zusammengeschrumpft, dass für wirklich hilfreiche Infrastrukturprojekte
weder das Geld, noch die Fachkompetenz, noch die Motivation
übrigbleibt, zumal eine effektive Kontrolle fast ganz
ausbleibt. Wie zum Hohn räumt sogar eine Mitarbeiterin
der GTZ ein, dass die „Wirkungsorientierung“
bei den NGOs bislang nicht so im Vordergrund gestanden habe.
Das
Treiben der NGOs fördert mithin auch gewaltige Fehlanreize
bei vielen Afghanen, von denen nur einige wenige dadurch
profitieren, dass sie die von den NGOs übriggebliebenen
Brosamen bei der Weiterreichung von Projekten aufsammeln.
Die NGOs sorgen also in vielerlei Hinsicht für eine
hohe Zeitpräferenzrate der Bevölkerung, die zusehen
muss, heute die von den Helfern hingeworfenen Almosen zu
ergattern, um morgen noch zu leben. Dass dies nicht unbedingt
zu einem zügigen Ausbau der Infrastruktur, geschweige
denn zu einem nachhaltigen Wirtschaftsaufschwung und zu
mehr Wohlstand führt, liegt auf der Hand.
So
nimmt es auch kein Wunder, dass die meisten Afghanen auf
dem Land keine andere Alternative als den Mohnanbau haben,
um über die Runden zu kommen. Die afghanischen Bauern
bekommen nicht nur von den Hilfsgeldern der NGOs nichts
ab, ihnen werden durch die Nahrungsmittellieferungen der
NGOs auch die Preise für ihre konventionellen Produkte
verdorben. Kein Afghane kauft Weizen auf einem Bauernmarkt,
wenn er ihn auch umsonst von der UNO bekommt. Hätten
die afghanischen Bauern nicht ihren Mohn, würde es
ihnen folglich sogar noch schlechter gehen als unter den
Taliban. Sollte die Karzai-Regierung und die US-Truppen
mit dem Krieg gegen die Drogen ernst machen, hätten
die afghanischen Bauern allen Grund, buchstäblich um
ihre Existenz zu bangen. Das System der Fehlanreize, das
durch die internationale Politik und das Treiben der NGOs
entstand, ist also bislang nicht undedingt dazu angetan,
den Afghanen eine Perspektive für ein besseres Leben
in der Post-Talibanzeit zu bieten. Das System vergrößert
vielmehr die Kluft zwischen Arm und Reich innerhalb der
afghanischen Gesellschaft, an deren Spitze es sich Politiker,
NGO-Chefs, Warlords und Drogenbarone bequem einrichten.
Wenn dann die „internationale Gemeinschaft“
wieder einmal die selbst geschaffenen Probleme mit Gewalt
zu lösen versucht, indem sie gewaltsam gegen den Drogenanbau
vorgeht, wird sie kaum auf das Verständnis der afghanischen
Bevölkerung stoßen. Nur die Taliban werden sich
die Hände reiben.
Links:
Spiegel-Artikel
Entwicklungshilfe
Afghanistan
Literatur:
ef-magazin
Nr. 50: Der Spenden-Tsunami
Richard Rottenburg: Weit
hergeholte Fakten |
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